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Neuer Kopf, neue Impulse: Johannes Waldmüller leitet die Akademie für Gemeinwohl

Neuer Kurs für die Akademie für Gemeinwohl: Johannes Waldmüller stellt sich vor Die Akademie für Gemeinwohl hat einen neuen Kapitän an Bord: Johannes Waldmüller übernimmt die Leitung – mit einem klaren Ziel vor Augen. Der erfahrene Sozialwissenschaftler, Unternehmer und Aktivist bringt nicht nur internationale Berufserfahrung aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft mit, sondern auch eine große Portion Leidenschaft für das, was die Akademie ausmacht: Bildung, die Gesellschaft verändert. Im Gespräch erzählt er, warum er diese Aufgabe gerade jetzt übernommen hat, welche Themen ihm besonders am Herzen liegen – und wie er die Akademie in den kommenden Jahren weiterentwickeln will.

Was hat dich dazu bewogen, die Leitung der Akademie für Gemeinwohl zu übernehmen?
Die Übernahme dieser ebenso herausfordernden wie spannenden Rolle bietet mir die Gelegenheit, viele Menschen in Österreich – und hoffentlich auch bald darüber hinaus – für extrem wichtige Gemeinwohl-Themen und die zentrale Rolle der Gemeingüter darin zu begeistern. Ich möchte in der aktuellen Situation gezielt dort Impulse setzen, wo sie zeitgerecht hingehören. In diesem Sinne will ich mit der Akademie auch zivilgesellschaftliches und gesellschaftspolitisches Advocacy gezielt aufbauen und stärken.

Die Welt steht in mehrfacher Hinsicht an der Kippe: Die Auswirkungen des Klimawandels und damit einhergehend autoritäre Machtübernahmen, Neo-Feudalismus und Imperialismus, das rasante Auseinanderdriften der Ungleichheit in Österreich und weltweit, der enorme Umbruch der Arbeitswelt durch KI sowie der (beinahe) komplette Zusammenbruch des internationalen NGO-Systems und der humanitären Hilfe – all das und noch vieles mehr macht es für mich zur gesellschaftlichen Pflicht, meine Kenntnisse und Erfahrungen an vorderster Front der Sozialbewegungen einzubringen. Ich schulde es nicht zuletzt meiner Tochter und nachfolgenden Generationen, alles versucht zu haben, um das Steuer herumzureißen.

Mich hat in meiner Karriere immer motiviert, nicht Öl, sondern Sand im Getriebe der Welt sein zu wollen – und zwar umso dringlicher, je mehr die Welt in gefährliche Fahrwasser gerät. Wir werden heute Zeugen von Genoziden, Femiziden, Ethnoziden und Ökoziden. Alleinstehend sind diese Themen relevant, tatsächlich aber sollte das zentrale Thema der gegenwärtige Terrizid sein – also die hausgemachte Vernichtung (weitgehend) allen Lebens auf der Erde.

Damit einher geht ganz konkret die dringende und grundlegende Transformation unseres Wirtschafts-, Arbeits-, Konsum- und Produktionsmodells.


Welche Erfahrungen bringst du mit, die du jetzt in deiner neuen Rolle einbringen möchtest?
Einerseits bin ich gelernter Kaufmann, Absolvent eines HAK-Kollegs, und habe vor über zwei Jahrzehnten selbst als Controller im Bankenbereich gearbeitet. Dazu bringe ich rund 15 Jahre Erfahrung aus der internationalen Businesswelt mit – ergänzt durch Tätigkeiten in akademischen, NGO- und EZA-Bereichen weltweit, insbesondere im Globalen Süden. Fast zehn Jahre habe ich in Ecuador gelebt, wo „Buen Vivir“ („gut leben“), die Rechte der Natur und die Plurinationalität in der Verfassung verankert sind. Dort sind alle Menschenrechte – auch soziale und wirtschaftliche – direkt und verfassungsrechtlich einklagbar. In den akademischen und zivilgesellschaftlichen Prozessen, die zu diesen Errungenschaften geführt haben, war ich über Jahre aktiv eingebunden.

Seit mehreren Jahren begleite ich zudem die wohl ökologischste, sozialste und zugleich luxuriöseste Schokoladenmarke der Welt, TO’AK aus Ecuador, als Business-Partner. Darüber hinaus habe ich als Wahlbeobachter für die EU und OSZE wertvolle Einblicke in erfolgreiche zivilgesellschaftliche Bewegungen und Projekte auf drei Kontinenten gewonnen.

Mit meiner sozialwissenschaftlichen Expertise zu Klimawandel und Katastrophen bin ich bestens gerüstet, zentrale Themen, Trends und Akteur:innen zu erkennen und zu gestalten, die den zivilgesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskurs in Österreich voranbringen.


Was bedeutet für dich persönlich Gemeinwohl?
Gemeinwohl bedeutet für mich umfassend die Frage nach dem letzten Grund und Zweck – dem telos – von Gesellschaft und Zivilisation. Natürlich gehören Wirtschaft, Finanz- und Geldsystem sowie internationaler Handel und Lieferketten dazu. Aber es geht mir um mehr: um die ethischen und moralischen Prinzipien und ihre konkrete Anwendbarkeit, die Gesellschaft und ihre Mitglieder gestalten und ihnen ein Ziel geben sollen. Ebenso um grundlegende Praktiken und Mechanismen, um Dynamiken zu überwinden, die uns als Gesellschaft zurückhalten – und uns im Sinne des „guten Lebens“, der menschlichen Entwicklung (gemäß dem Fähigkeitenansatz) und der grundlegenden Nachhaltigkeit entfalten und verbessern zu können.

Korruption, fossile Energiemodelle und schwache politische Kultur wären solche Themen – ebenso wie die Durchkapitalisierung aller Lebensbereiche und die Fixierung auf rasches Geld, egal wie und auf wessen Kosten.

Insofern hat Gemeinwohl für mich auch eine tiefe individuelle und gruppenspezifische Dimension: Es geht um unsere Haltung zur Welt, um die Überwindung von Misstrauen, Trauma und Egozentrik – und um den Irrglauben, Gesellschaft, Wirtschaft und Zivilisation losgelöst von Umwelt-, Nahrungs- und Ökosystemen betreiben zu können.


Warum ist Bildung aus deiner Sicht ein Schlüssel für gesellschaftlichen Wandel?
Wenn wir Gemeinwohl in etwa so begreifen wollen, wie ich es skizziert habe – also als eine im Prinzip offene, aber notwendige Frage, die unter gegebenen Umständen stets aktualisiert, neu aufgeladen und inhaltlich verteidigt werden muss, inklusive tiefenpsychologischer, gruppendynamischer und gesellschaftspolitischer Dimensionen –, dann ist Bildung tatsächlich ein gewaltiger Schlüssel für tiefgreifenden Wandel.

Allerdings nicht die klassische Frontalbildung oder marktorientierte Ausbildung, sondern eine umfassende, personenzentrierte Herzensbildung. Sie soll eher dazu beitragen, im Sinne von Wilhelm Reich oder Ivan Illich – zwei großen Österreichern, die im Land aus meiner Sicht zu wenig Beachtung finden – eine positive „Unbildung der Bildung“, also des herkömmlich Erlernten, zu ermöglichen.


Was unterscheidet gemeinwohlorientierte Bildung von klassischer Erwachsenenbildung?
Gemeinwohlorientierte Bildung geht über reine Wissensvermittlung hinaus: Sie fragt nicht nur „Was kann ich lernen?“, sondern vor allem „Für wen und wofür setze ich mein Wissen ein?“. Während klassische Erwachsenenbildung oft auf individuelle Karriereziele oder persönliche Kompetenzerweiterung abzielt, stellt gemeinwohlorientierte Bildung den kollektiven Nutzen, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung ins Zentrum. Sie befähigt Menschen, nicht nur im bestehenden System zu funktionieren, sondern dieses aktiv – und vor allem kooperativ statt konfliktorientiert – zum Besseren zu gestalten.


Welche Schwerpunkte möchtest du setzen oder neu denken?
Kurz gesagt: mehr systemisches Denken und Handeln, kritisch-ethische Finanz- und Wirtschaftspolitikbildung und partizipative Lernräume, in denen Utopien erprobt werden dürfen.

In der Langfassung heißt das: Die „Akademie NEU“ soll internationaler, mehrsprachiger, jünger und besser vernetzt werden – in Europa ebenso wie in Südamerika, Asien und Afrika. Geplant ist der Aufbau eines eigenen Mediums, etwa eines YouTube-Kanals, Podcasts oder Video-Blogs. Daraus könnte mittelfristig auch ein Textmedium entstehen, z. B. eine halbjährlich erscheinende Zeitschrift – idealerweise in Kooperation mit bestehenden Medienhäusern.

Darüber hinaus wollen wir Advocacy gezielt ausbauen: aktive Mitarbeit in der zivilgesellschaftlichen Klimaallianz, bei der AG Globale Verantwortung, im Ecosystem of Change – sowie das direkte Anbieten von Expertise und Austausch an die öffentliche Verwaltung und den Privatsektor, insbesondere in der DACH-Region.

Unsere langjährige Erfahrung aus dem Genossenschaftswesen wollen wir aktiv einbringen, etwa bei Energiegemeinschaften und Landwirtschaftskollektiven. Zudem streben wir eine Beobachterrolle bei den Vereinten Nationen (konkret bei der UNIDO) an, um nachhaltige Gemeinwohlthemen dort einzubringen, punktuell direkt zusammenzuarbeiten und unsere hauseigene Expertise zu stärken.

Zu guter Letzt wollen wir die Kooperation mit heimischen Universitäten intensivieren und unsere Inhalte stärker in Studienprogramme und studentische Initiativen einbinden – erste konkrete Umsetzungen sind 2025/26 mit der BOKU, der Universität Wien, der Donau-Universität Krems und der Wirtschaftsuniversität geplant.


Gibt es Angebote, Formate oder Zielgruppen, die du besonders ausbauen möchtest?
Ja. Neben Internationalisierung und Mehrsprachigkeit – und parallel zu mehr lokalen Angeboten auch in den Bundesländern – geht es mir vor allem um Formate, die unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen verbinden:

  • Dialogräume zwischen Finanzexpert:innen, NGOs, Aktivist:innen, politischen Entscheidungsträger:innen und Bürger:innen

  • Angebote für junge und migrantische Menschen, insbesondere Frauen, deren Zugang zu Geld- und Finanzthemen oft erschwert ist

  • Praxiswerkstätten, in denen Projekte mit Gemeinwohl-Impact entwickelt und im Sinne eines „Gemeinwohl-Labs“ an die richtigen Ansprechpartner:innen vermittelt werden

Außerdem planen wir in Allianz mit anderen eine Podcast- oder Video-Blog-Serie, um unsere Reichweite zu erhöhen und unsere Position als die Anlaufstelle für Gemeinwohl-Expertise in Österreich zu festigen. Alle Vortragenden werden künftig um ergänzende Interviews in diesem Format gebeten.


Wie kann die Akademie dazu beitragen, das Finanzsystem gemeinwohlorientiert zu transformieren?
Indem wir nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Haltungs- und Wertearbeit leisten – und soziale sowie verantwortungsvolle Innovationen fördern. Das heißt:

  • kritisches Hinterfragen bestehender Finanz- und Geldlogiken sowie Produktions- und Konsummodelle

  • Ermutigung und Expertise zu alternativen Investitions- und Geschäftsmodellen

  • Vernetzung von Akteur:innen, die Veränderung vorantreiben

  • Aufbau einer Community, die Verantwortung für Geldflüsse übernimmt

Zudem wollen wir Pionierarbeit leisten, um innovative Geschäfts- und Projektformen mit Gemeinwohl-Ansatz zu entwickeln, bekannt zu machen und weiterzudenken – z. B. für Gemeinwohl-Stadtplanung, -Schulen oder gemeinwohlorientierte Klimaanpassung und Mobilität.


Wer sollte unbedingt einmal ein Angebot der Akademie nutzen – und warum?
Alle, die spüren, dass unser jetziges Wirtschaftssystem an Grenzen stößt – egal ob aus Finanzsektor, Politik, Zivilgesellschaft oder Unternehmen. Die Akademie ist ein Raum für Denken, Austausch und Innovation, in dem Probleme nicht nur analysiert, sondern konkrete Lösungen entwickelt und Netzwerke geknüpft werden.


Gibt es Pläne, die Akademie noch inklusiver zu gestalten?
Ja – das ist ein fortlaufender Prozess mit folgenden Schwerpunkten:

  • barrierefreie Formate (sprachlich, technisch, räumlich)

  • soziale Staffelpreise und Angebote wie Frühbucher-Tickets oder Treuepässe

  • gezielte Ansprache bisher unterrepräsentierter Gruppen – 2026/27 liegt der Fokus auf Menschen in Ausbildung, Berufseinsteiger:innen und Gründer:innen

  • Aufbau des Unterstützer:innenkreises „Freunde der Akademie“, der aktiv in Themenwahl und Gestaltung eingebunden wird

  • mehrsprachige Inhalte, um globale Perspektiven einzubinden

Ein Schwerpunkt wird das neue dreistufige Money-Moves-Mentoring sein:

  1. sechs Wochen Grundkurs (auch berufsbegleitend) speziell für junge Erwachsene

  2. zwei bis drei Monate Mentoring

  3. Mitarbeit in EU-Projekten und Aufbau eines internationalen Netzwerks – als Teil des „Next Generation“-Plans der Genossenschaft


Welche Rolle spielen Kooperationen mit anderen Organisationen oder Bildungsinstitutionen?
Eine zentrale. Transformation ist Teamsport. Mit Partnern wie dem Momentum Institut, dem Kontext-Institut für Klimafragen, Scientists4Future, Psychologists4Future, der Klimaallianz oder dem Ecosystem of Change wollen wir:

  • Synergien zwischen Theorie, Praxis und politischem Handeln schaffen

  • Zugang zu neuen Zielgruppen ermöglichen

  • gemeinsame Projekte umsetzen, Wirkung vervielfachen und EU-Förderungen nutzen


Was wünschst du dir für die Akademie in den nächsten drei Jahren?

  • eine wachsende, diverse, internationale Community

  • mehr internationale Vernetzung, Austausch und Projekte inklusive einer jährlichen Tagung zur theoretischen und praktischen Weiterentwicklung des Gemeinwohlansatzes

  • innovative Lernformate online und offline

  • messbare, positive Effekte auf regionale und überregionale Finanzentscheidungen

  • zusätzliche Finanzierungsquellen (u. a. Philanthropie-Programm, Online-Bildungsplattform, Spenden, Förderungen)

  • Ausbau des Teams von aktuell fast Einzelarbeit auf drei bis fünf Personen

Ab September 2025 begrüßen wir unsere neue Praktikantin, Felicitas Godtmann (Master-Studentin in Wien), die vor allem beim Aufbau von Money Moves unterstützen wird.


Wenn du dir etwas wünschen könntest: Was sollte sich im Denken über Geld und Wirtschaft verändern?
Geld darf kein Selbstzweck sein, sondern muss Werkzeug für menschliches und ökologisches Wohlergehen werden. Wirtschaft sollte nicht trotz, sondern wegen ethischer Werte funktionieren. Kurz: weg vom Wachstumsdogma – hin zu kleinräumigem, partizipativem, nachhaltigem Gemeinwohl als zentralem Maßstab – und global hin zu einer neuen und fairen Finanz- und Wirtschaftsarchitektur.


Veranstaltungs-Ausblick

Zu den bereits bestehenden Veranstaltungen der Akademie für Gemeinwohl für diesen Herbst, kommen folgende neu hinzu: 

  • 24.09. – Webinar mit Friedhelm Boschert: „Positives Geld“

  • 09.10. – Follow-up-Workshop „Positives Geld“ mit Friedhelm Boschert und Raffaela Hofmann

  • Oktober – Online-Webinar oder Workshop vor Ort mit Ingrid Robeyns zu Limitarianismus (auf Deutsch)

  • Mitte November – Online-Webinar mit Anitra Nelson und Vincent Liegey (CEU Wien) anlässlich der Publikation des Handbook on Degrowth (2025)

  • Ende November – Diskussionsrunde mit Michaela Krömer (Anwältin der Klimaklage Österreich)

  • November/Dezember – Webinar mit Christoph Sorg: „Wirtschaft demokratisch gestalten?“ und Follow-up-Workshop in Wien

  • angefragt – Veranstaltung in Wien mit Timothée Parrique (Universität Lausanne) zu nachhaltigen Praxen alternativen Wirtschaftens

  • Jänner 2026 – Neue Ausgabe des Espresso Cooperativo im Tüwi der BOKU Wien mit Christian Pomper

  • ab März 2026 – Money Moves – Stufe 1

  • ab Mai 2026 – Money Moves – Stufe 2

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