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"Wie wir mit Geld herumwerfen, ist nicht gesund!"

Portrait Sonja Maria Fabiao
Donnerstag, 10. Juni 2021

"Wie wir mit Geld herumwerfen, ist nicht gesund!"

 

Liebe Sonja Maria, inwiefern hat dich Geld in deinem Leben beschäftigt, sodass du zu dem Punkt gekommen bist, bei unserem Zertifikatslehrgang Geld und Gemeinwohl – die Finanzwelt verstehen und gestalten mitzumachen?

Geld hat mich schon immer beschäftigt – und zwar in der Art und Weise, wie wir damit umgehen, und in der Art und Weise, wie es verteilt ist. Ich komme aus einer Familie mit Migrationshintergrund, unterer Mittelstand, würde ich sagen. Es hat uns an nichts gemangelt, aber trotzdem gab es so viele Menschen um mich herum, die so viel weniger hatten und gleichzeitig durch meine Schulbildung auch so viele Menschen, die so viel mehr hatten als alle anderen. Diese Relation war immer da und hat mich beschäftigt. Noch bewusster wurde mir das dann mit der Berufswahl: Ich habe Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissenschaften studiert, eine Konzernkarriere gestartet und dann auch recht schnell sehr starke Schritte auf der Karriereleiter gemacht.

In Konzernen gibt es sehr hohe Budgets, hohe Gehälter, hohe Investitionen in Projekte. In der Zusammenarbeit mit kleinen Agenturen habe ich dann verstanden: Wie wir mit Geld herumwerfen, ist nicht gesund, es hat gar keinen Bezug mehr zur Realität, mutiert zu Spielgeld. Aber für andere Menschen ist das brutale Realität, während wir hier spielen. Das hat mich bewogen erst mal eine längere Auszeit zu nehmen, in der ich diesem Thema dann noch stärker nachgehen konnte. Ich bin einem Interview von Christian Felber begegnet zum Thema innere Stimme – das hat bei mir alle Fragen der Jahrzehnte davor nochmal richtig getriggert, und ich hab gemerkt, dass ich damit nicht alleine bin. Ich habe mich dann selbständig gemacht, und da muss man sich mit Geld, mit Tagsätzen und allem was dazugehört auseinandersetzen. Und da kamen diese Fragen immer wieder auf: Wie presse ich eigentlich das, was ich tue, in einen Stundensatz, was ist ein Stundensatz? Wie eng ist eine Leistung pro Stunde? Und da merkt man schnell: Das passt nicht! Je künstlerischer, je freier, je kreativer die Tätigkeit wird, desto weniger passt das in unser Geldsystem, das kreative Gedanken oder kreatives Gut überhaupt nicht in dem benötigten Maße berücksichtigt.

Du hast dann ja auch eine Schule für Spiritualität gegründet – ?

Ja, Filiasophia – die baue ich gerade auf.

Sinn dieser Schule ist letztendlich, Menschen bei ihrem Erwachen zu begleiten und ein Netzwerk zu schaffen, eine Community zu bilden, ein Feld des Lernens – in dem man sein und begreifen kann, dass es auch andere Menschen gibt, die sich die Wertefrage stellen. Die heben wir alle bei Filiasophia ganz hoch.

Ich schwöre Geld nicht ab und sehe auch, was man damit bewirken kann. Von Christian Felber habe ich ein schönes Zitat, dass Geld in den Händen einer Lichtgestalt so viel Gutes bewirken kann. Die Frage ist nichtsdestotrotz, wenn ich gerade dabei bin etwas Neues und Heiles zu bauen, wie übersetze ich das eigentlich monetär – und da schließt sich dann auch der Kreis zu dem Lehrgang. Ich wollte mich noch tiefer mit dem Thema Geld und Gemeinwohl auseinandersetzen, und dann kam dieser wunderbare Kurs von Christian Felber, „Geld und Demokratie“. Schon nach den ersten Sessions wusste ich, ich muss da tiefer rein. Und dann bin ich über den Lehrgang gestolpert zu einem Zeitpunkt, wo es überhaupt nicht reingepasst hat bei mir auf ganz vielen Ebenen, aber ich wollte es trotzdem und unbedingt  Die Lehrgangsleitung hat es für mich dann möglich gemacht, und ich bin nun in diesem Riesenprozess, der mich begleitet – alles nochmal zu hinterfragen und zu lernen: was gibt es schon, wer hat da schon vorgedacht, wer hat da schon angefangen, wer hat da schon etwas kreiert. Und da wachse ich gerade rein, um noch aufmerksamer zu werden.

Warst du auch selbst Führungskraft in den Konzernen, in denen du gearbeitet hast?

Ja. Ich habe im Rahmen von Projektorganisationen Menschen geleitet und geführt. Und ich habe mich sehr stark versucht aus der Affäre zu ziehen, wenn es darum ging, disziplinarisch zu führen. Einerseits, weil ich mich zum Anfang meiner Karriere fragte, wie soll ich etwas führen, wenn ich selber noch so stark mit Lernen beschäftigt bin. Ich fand es sehr befremdlich wenn ich – vor allem männliche – Führungskräfte vor mir hatte, bei denen ich gespürt habe, dass sie selber noch gar nicht gereift waren. Das funktioniert irgendwie nicht. Was nicht heißt, dass eine junge Führungskraft nicht auch gut führen kann. Die gibt es sicherlich. Aber ich war einfach noch zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Im Laufe der Jahre änderte sich das selbstverständlich, aber es gab zusätzlich einen Teil von mir, der auf diese ganze Politik und das Menschenverwalten keine Lust hatte bzw. sich dagegen gesträubt hat.

Ich habe es immer wieder erlebt, wie motivierte Führungskräfte in den Stellschrauben dieser engen Systeme sich selbst nicht als Führungskraft entfalten und entwickeln konnten, zumindest nicht in dem Maße, wie ich es mir für mich vorgestellt habe – besonders Frauen. Die Orientierung an Status, an Funktionen, an Geld, an Macht und an –für mich unnütze und verschwenderische – Politik (die kann man sich nur leisten, wenn das Geld dafür da ist), das konnte und wollte ich selbst nicht mitgehen.
Wir alle dürfen jetzt gerade noch mehr mit unseren Werten wirklich in unsere Kraft kommen und etwas vorleben, was diese Systeme vielleicht noch nicht kennen. Das ist nicht einfach, da gibt es sicherlich Widerstand. Wie gehen wir möglichst balanciert durch diesen Prozess? Das ist, worauf ich mich ganz stark fokussiere, und was auch im Lehrgang ganz stark an die Oberfläche kommt. Das Thema Führung, dazu organisatorische, soziale und strukturelle Verantwortung – da schließt sich der Kreis mit dem Thema Gemeinwohl.

Ich schließe daraus, dass unser Lehrgang für Führungskräfte gut geeignet ist – ?

Der Lehrgang ist so reich, so ein Füllhorn an Themen, an Perspektiven, an Inspiration, an Motivation, dass ich es nicht auf eine Zielgruppe beschränken kann. Wir sind ja im Kurs sehr unterschiedlich zusammengestellt, aber ja – ich würde es Führungskräften, die wirklich tiefer eintauchen wollen und die Wurzeln vieler Probleme verstehen wollen, die sich aber gleichzeitig auch inspirieren lassen und in Neues hineinwachsen wollen, ganz ganz warm ans Herz legen. Es ist inhaltlich wahnsinnig fordernd, auch kognitiv, zugleich ein Hingeben all meiner Glaubenssätze und neu sortieren und nochmals neu zusammenstellen, das ist für mich gerade richtiger Sport. Zwischen den Modulen passiert bei mir so viel, weil ich verarbeite, integriere, lausche, nachlausche, beobachte, also bei mir geht es sehr tief und sehr weit. Jedes einzelne Modul, fast jeder einzelne Vortrag könnte nochmal ein Lehrgang für sich sein.

Danke!