Small enough to fail!
Small enough to fail!
In unserem MONEYFEST umreißen wir u.a. 10 Grundprinzipien eines gemeinwohlorientierten Geld- und Finanzsystems. Eines davon lautet, dass private Banken „small enough to fail“ sein müssen. Wie kommen wir darauf, und wie sieht die Situation heute aus?
Heute normal: “too big to fail”. Was bedeutet das?
Als „too big to fail“ werden Finanzinstitutionen – in der Regel Banken – bezeichnet, deren Insolvenz eine größere Krise in der Finanzwelt oder der gesamten Wirtschaft nach sich ziehen würden. Sie gelten gemeinhin als „systemrelevant“. Deshalb müssen, so die gängige Analyse, diese großen Unternehmen der Geldwirtschaft im Falle einer drohenden Pleite „gerettet“ werden. Und zwar durch die öffentliche Hand und mit Hilfe öffentlicher Gelder. Dies verursacht Kosten und bindet Mittel, die natürlich an anderer Stelle fehlen. Für den Zeitraum nach der großen Finanzkrise von 2008 bis 2015 wurden die Kosten diverser Rettungsmaßnahmen allein im EU-Raum auf mehr als 213 Mrd. Euro geschätzt (1). Die Lösung der „too big to fail“-Problematik ist daher ein wesentlicher Baustein einer gemeinwohlorientierten Neuordnung des Geld- und Finanzsystems.
Welche Banken sind „too big to fail“?
Das Financial Stability Board (FSB) der G20 veröffentlicht gemeinsam mit dem Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) und nationalstaatlichen Behörden jedes Jahr eine Liste systemrelevanter Banken auf globaler Ebene (G-SIBs: global systemically important banks). Diese müssen seit einigen Jahren spezielle, im Vergleich zu kleineren Banken strengere Auflagen erfüllen. Dazu zählen u.a. eine erhöhte zusätzliche Eigenkapitalquote – die je nach Größe einer Bank zwischen einem und 3,5 Prozent liegt –, und die sogenannte „Total Loss-Absorbing Capacity (TLAC)", also die Verlustabsorptionsfähigkeit einer Bank – die Kapazität einer Bank, allfällige Verluste selbst zu tragen. Für diese besteht ein festgelegtes Ausmaß an weiteren, zusätzlichen Kapitalerfordernissen. Durch letztere Maßnahme sollen im Fall von Schwierigkeiten etwa Anteilseigner*innen stärker in die Pflicht genommen werden.
Auf der aktuellen, kürzlich veröffentlichten G-SIB-Liste finden sich 30 Großbanken. Angeführt wird sie von der US-amerikanischen JP Morgan Chase, gefolgt von BNP Paribas, Citigroup, HSBC, Bank of America, Bank of China, Goldman Sachs, Credit Suisse, Morgan Stanley, UniCredit und zwanzig anderen mehr (2). Eine ähnliche Systematik wird auch auf nationaler Ebene für die Identifikation systemrelevanter Finanzinstitutionen angewandt. In Österreich zählen dazu u.a. die Erste Group, Raiffeisen Bank International, UniCredit Bank Austria, BAWAG, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und die Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien (3).
Welche Folgen haben Pleiten großer Banken?
In der Vergangenheit war die historische österreichische Credit-Anstalt (CA) einer der bekanntesten Zusammenbrüche einer Großbank – mit globalen Folgen. Nachdem die damals größte österreichische Bank Anfang der 1930er Jahre in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, übernahm der Staat Kapitalanteile und einen Teil der gemeldeten Verluste. Dennoch folgten Kapitalflucht, Währungsverfall, der Rücktritt der damaligen Regierung, und letztendlich mündete das Scheitern der CA in der „großen Depression“.
Auch bei der letzten großen weltweiten Finanzkrise stand der Zusammenbruch einer großen Bank am Anfang: die Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008. Und aus der noch jüngeren Vergangenheit sind allein hierzulande der Zusammenbruch der Hypo-Alpe-Adria, der Kommunalkredit sowie der Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG) noch gut in Erinnerung. Diese wurden in Abwicklungsgesellschaften umgewandelt, und belasteten den Staatshaushalt laut Fiskalrat und Nationalbank mit rund zwölf Milliarden Euro (4).
Warum sind zu große Banken ein Problem?
Besonders in Krisenzeiten kann sich ein wirtschaftlicher Abschwung rasch auf den Finanzmarkt auswirken – und eine Finanzmarktkrise dann wieder die gesamte Volkswirtschaft weiter in Mitleidenschaft ziehen. 2008/9 verloren die wichtigsten Börsenindizes binnen weniger Tage stark – um die 40%, – an Wert. Ähnliches zeigte sich im vergangenen Jahr in Folge der Corona-Krise, als viele Banken und Unternehmen die Werte ihrer Aktienportfolios nach unten korrigieren mussten. 2008 hatte dies dazu geführt, dass das Eigenkapital der Banken rasch zusammenschmolz, was wiederum teure Rettungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand erforderlich machte (5). Diese Erfahrung war wohl mit ein Grund, warum die Europäische Zentralbank (EZB) und auch die nationalen Regierungen im Vorjahr vergleichsweise schnell milliardenschwere Hilfspakete für Unternehmen zusagten.
Wie könnte es anders gehen?
Denn trotz entsprechender Beteuerungen gibt es bis heute keine Größengrenze für Banken innerhalb des EU-Raumes, und die europäische Abwicklungsrichtlinie scheiterte bereits bei ihrer ersten Anwendung, dem Fall des italienischen Bankhauses Monte dei Paschi, die 2017 vom italienischen Staat mit 6,6 Milliarden Euro gerettet werden – musste (6). Dabei wären eine gesetzliche Größenbegrenzungen für Banken – wie dies u.a. auch der ehemalige Chef-Ökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), Simon Johnson, forderte (7) –, zusammen mit einer neuerlichen Trennung zwischen Risiko- und traditionellem Bankgeschäft, zwei zentrale Maßnahmen, um die Krisenanfälligkeit des Finanzsektors deutlich zu reduzieren und Geld als Mittel wieder stärker in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen.
- https://www.tni.org/files/publication-downloads/tni_bail_out_eng_online0317.pdf (30.11.2021)
- https://www.fsb.org/wp-content/uploads/P231121.pdf (30.11.2021)
- https://www.fma.gv.at/en/banks/macroprudential-supervision/details-about-identified-institutions/ (30.11.2021)
- https://www.gemeinwohlakademie.at/sites/default/files/2020-01/PfG_policy%20paper_too%20big%20to%20fail.pdf
- https://www.freitag.de/autoren/pep/die-finanzmaerkte-entmachten (30.11.2021)
- https://www.gemeinwohlakademie.at/sites/default/files/2020-01/PfG_policy%20paper_too%20big%20to%20fail.pdf
- https://www.ineteconomics.org/perspectives/blog/simon-johnson-the-problem-of-too-big-to-fail-is-even-bigger-than-before-2008