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Russische Zentralbank: Wie wirken die Sanktionen?

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Samstag, 5. März 2022 – von Christina Buczko

Russische Zentralbank: Wie wirken die Sanktionen?

Neben dem ab dem 12. März in Kraft tretenden Ausschluss von sieben großen russischen Geschäftsbanken (1) vom SWIFT-System (2) für Überweisungen und dem bereits praktizierten Ausschluss aus den Netzwerken von VISA und Mastercard, werden vor allem die ab 1. März 2022 geltenden Sanktionen des Westens gegen die russische Zentralbank als die einschneidendste der bisher verhängten Maßnahmen bezeichnet.

 

Wie wird die Moskauer Zentralbank aktuell sanktioniert?

Durch die Anfang März seitens der USA, der EU, Großbritannien, Japan, der Schweiz und anderen westlichen Staaten verhängten Maßnahmen ist die russische Zentralbank bis auf weiteres von einem großen Teil der internationalen Finanzmärkte ausgeschlossen. Dies bedeutet unter anderem, dass ein beträchtliches Ausmaß des russischen Auslandskapitals, geschätzte 50 Prozent, eingefroren ist, und die Moskauer Zentralbank nicht mehr auf ihr im Ausland lagerndes Vermögen zugreifen kann.

 

Die Reserven der russischen Zentralbank sind auf verschiedene Länder verteilt. Der zahlenmäßig größte Anteil dieses Vermögens befindet sich in China (13,8%), gefolgt von Frankreich, Japan, Deutschland und den USA. Auf Österreich entfallen immerhin 3% der russischen Auslandsreserven.(3) Geschätzt die Hälfte der russischen Devisenreserven sind Guthaben bei verschiedenen europäischen Zentralbanken bzw. in europäische Staatsanleihen investiert. Wo sich die russischen Goldreserven in der Höhe von 132 Milliarden US-Dollar befinden, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Hinzu kommen noch im Ausland befindliches Bargeld und Wertpapiere.

 

Wie wirken die Sanktionsmaßnahmen?

Da die Zentralbank in Moskau nun nicht mehr über ihre im Ausland eingefrorenen Reserven verfügen kann, ist ihr Zugang zu Devisen massiv beschnitten. Dadurch sollen der russische Rubel und letztendlich die gesamte russische Wirtschaft unter Druck gesetzt werden. Verliert der Rubel an Wert, ist ein aktives Gegensteuern der Zentralbank nun deutlich erschwert. Denn eine gängige Maßnahme einer Zentralbank gegen den Wertverlust der Landeswährung ist der Verkauf von Devisenreserven. Mit dem Erlös können Mittel in der eigenen Währung aufgekauft und der Kurs damit gestützt oder stabilisiert werden.

 

Allerdings zeigte sich, dass die russische Landeswährung in den ersten März-Tagen zwar eine massive Abwertung erfahren hat – etwa um rund 30% gegenüber dem US-Dollar –, der Wechselkurs auf diesem Niveau nun jedoch stagniert. Denn die russische Notenbank traf infolge der Sanktionen des Westens eine Reihe von Gegenmaßnahmen, die zumindest vorerst offenbar greifen. Sie hob den Leitzins um 10,5 Prozentpunkte auf 20 Prozent an, verbot Wertpapierhändlern, russische Wertpapiere in ausländischem Besitz zu verkaufen, wie auch Dividenden an Ausländer*innen auszuschütten, und verpflichtete heimische Unternehmen dazu, 80 Prozent ihrer Deviseneinnahmen wieder gegen Rubel zu verkaufen.(4) Zudem wurde die Ausfuhr von ausländischem Bargeld auf USD 10.000 begrenzt.(5) Zinszahlungen für Anleihen in Rubel (6) wurden vorläufig ausgesetzt.

 

Für Personen, die Ersparnisse oder Vermögen in Rubel besitzen, bedeutet diese erfolgte Abwertung jedoch bereits einen deutlichen Wertverlust. Auch russische Unternehmen sind betroffen. Erforderliche Importe wurden innerhalb kürzester Zeit um ein Drittel teurer. In Fremdwährung verschuldete russische Unternehmen müssen in ihren Bilanzen jetzt um 30% höhere Verbindlichkeiten ausweisen und verfügen damit auch schlagartig über ein herabgesetztes Eigenkapital.

 

Ist Russland nun vom Devisenmarkt abgeschnitten?

Russland hatte seine Auslandsreserven in den letzten Jahren erheblich aufgestockt. 2018 verfügte Russland über Gold- und Devisenreserven im Umfang von rund 448 Mrd. US-Dollar. Anfang dieses Jahres waren es bereits 630 Mrd. US-Dollar.(7) Möglich wurde dies vor allem durch den laufenden Verkauf von Erdöl und -gas. Russland ist nach den USA und Saudi-Arabien der weltweit drittgrößte Öl-Exporteur.(8) Zudem stellt Russland rund ein Drittel des in der EU und Großbritannien verbrauchten Erdgases bereit.(9)

 

Auch wenn Russland auf sein bestehendes Auslandsvermögen nun zu einem guten Teil nicht mehr zugreifen kann, die laufenden Exporteinnahmen bleiben vorerst, da das Land seine Rohstoffe weiterhin nach Europa liefert. Öl und Gas werden in der Regel in US-Dollar gehandelt – die Standard-Währung für Rohstoffe.(10) Das heißt, auch mit den geltenden Sanktionen ist Russland nicht gänzlich vom internationalen Devisenmarkt ausgeschlossen. Solange die Welt in Russland einkauft, und das Land damit Exportüberschüsse erzielt, wird ihm nicht das Geld ausgehen. Unter anderem dies ermöglicht es der russischen Zentralbank, den Rubel vor einem weiteren Verfall vorerst zu bewahren.

 

Kann Russland die Sanktionen umgehen?

Ein Land, das sich den Sanktionen nicht angeschlossen hat, ist China. China verfügt über ein eigenes Verrechnungssystem namens Cips (Chinas Cross-Border Interbank Payment System), ähnlich wie SWIFT.(11) Darüber kann Russland weiterhin Waren in China und indirekt vom Weltmarkt beziehen. Dafür müsste China jedoch seine Rubel-Devisenbestände erhöhen. Auch könnten andere befreundete Staaten, etwa jene, die bei der UN-Vollversammlung Anfang März gegen die den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilende Resolution gestimmt haben,(12) Importe für Russland finanzieren. Aufgrund der fehlenden Finanzkraft dieser Länder ist diese Option jedoch beschränkt.

Kryptowährungen scheiden als kurzfristige Alternative jedenfalls aus, da erstens der Kryptomarkt zu illiquide ist, um Volumina von hundert(en) Milliarden zu absorbieren, und zweitens in der jetzigen Situation wohl kaum jemand seine Bitcoin für Rubel verkaufen wollte.

 

Welche Folgen haben die Sanktionen gegen Russland für den Westen?

Laut dem österreichischen Ökonomen und ehemaligen Vorsitzenden der Eurogroup Working Group (EWG), einer Arbeitsgruppe der Euro-Gruppe, Thomas Wieser, werden die nunmehr beschlossenen Sanktionen sowohl für Russland als auch für andere, vor allem westliche Länder deutliche Folgen haben – auch wenn diese zum heutigen Zeitpunkt kaum verlässlich vorherzusagen sind.(13)

 

Sie betreffen jedenfalls alle westlichen Gläubiger Russlands, darunter viele Geschäftsbanken. Auch vor allem europäische Unternehmen mit wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland werden Auswirkungen der Sanktionen zu spüren bekommen. Eine mögliche Folge davon könnte sein, dass die westlichen Zentralbanken erneut gefragt sein werden und die drohenden Ausfälle mit frischem Geld ausgleichen, um die Liquidität (im Dollar- wie im Euro-Raum) aufrecht zu erhalten. Was das für die erst junge wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise bedeutet, steht noch in den Sternen.

 

Das Finanzsystem: Ein mächtiger Hebel

Die gegen Russland verhängten Sanktionen, insbesondere jene gegen die Zentralbank, werden wahlweise als „starkes Instrument“(14) oder als „Waffe des Westens“(15) bezeichnet. Zentralbanken sind allgemein wichtige Akteure der Finanzwirtschaft. Sie haben zusammengefasst fünf zentrale Aufgaben:

  1. die Bereitstellung von Zahlungsmitteln durch die Schöpfung von Bargeld (Banknoten) und elektronischem Zentralbankengeld
  2. die Verwaltung von Währungsreserven
  3. die Refinanzierung von Geschäftsbanken
  4. Geldpolitik: Konjunktursteuerung mittels des Leitzinses
  5. Finanzmarkt- und Preisstabilität

Die Stabilisierung der eigenen Währung ist eine wichtige Kernaufgabe von Zentralbanken. Je höher ein Staat in Fremdwährungen verschuldet ist, desto angreifbarer ist er für Sanktionen, wie jene, die im aktuellen Fall von Russland erstmals gegen einen Staat verhängt wurden.  

 

 

Quellen:

 

  1. Bank Otkritie, Novikombank, Promsvyazbank, Bank Rossiya, Sovcombank, VNESHECONOMBANK (VEB) und VTB BANK

  2. SWIFT steht für „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“, ein Verband von Geldinstituten mit Sitz in Belgien, der ein globales Netzwerk für die Übermittlung von Informationen von Finanztransfers betreibt.

  3. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/international/2139317-Russische-Kriegskasse-im-Visier.html (3.3.2022)

  4. https://mauricehoefgen.substack.com/p/putin-rubel-euro-zentralbank-krieg?r=4stri&s=w&utm_campaign=post&utm_medium=web&fbclid=IwAR12oeazF8D8V7b0bmdmh0euHWJ_bViyzNfK-9HabCxw1EK4m1929gaXQ0A (3.3.2022)

  5. https://www.diw.de/de/diw_01.c.836728.de/publikationen/diw_aktuell/2022_0079/sanktionen_gegen_die_russische_zentralbank_sind_ein_starkes_instrument.html (3.3.2022)

  6. Mit Ende Jänner waren dies Staatsanleihen im Umfang von 38 Milliarden Dollar im Besitz ausländischer Investor*innen. https://www.derstandard.at/story/2000133827859/russland-zahlt-keine-rubel-mehr-an-auslaendische-investoren-aus (4.3.2022)

  7. https://de.statista.com/infografik/26925/gold-und-devisenreserven-der-russischen-zentralbank/ (3.3.2022)

  8. https://www.iea.org/reports/russian-supplies-to-global-energy-markets/oil-market-and-russian-supply-2 (1.3.2022)

  9. https://www.iea.org/reports/russian-supplies-to-global-energy-markets/gas-market-and-russian-supply-2 (1.3.2022)

  10. Schulmeister, Stephan 2018: Der Weg zur Prosperität. Ecowin Verlag. S. 106

  11. https://www.handelsblatt.com/politik/international/sanktionen-der-ausweg-fuer-russlands-isoliertes-finanzsystem-so-funktioniert-chinas-swift-alternative-cips (4.3.2022)

  12. Nord-Korea, Eritrea, Syrien und Belarus

  13. Thomas Wieser in der ZIB Spezial am 28.2.2022: https://tvthek.orf.at/topic/Krieg-in-der-Ukraine/13869779/ZIB-Spezial-zum-Krieg-in-der-Ukraine/14126094/Oekonom-zur-russischen-Wirtschaftslage/15115878

  14. https://www.diw.de/de/diw_01.c.836728.de/publikationen/diw_aktuell/2022_0079/sanktionen_gegen_die_russische_zentralbank_sind_ein_starkes_instrument.html (3.3.2022)

  15. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/sanktionen-gegen-russland-die-waffen-des-westens-und-der-eu-16936973.html (3.3.2022)

  16. Dieses staatliche Giralgeld der Zentralbanken wird auch als „Reserve“ bezeichnet. Geschäftsbanken benötigen dies für den Zahlungsausgleich untereinander und für den Kauf von Staatsanleihen. Staatsausgaben mit Zentralbankgeld sind bilanziell „Forderungen gegen den Staat“ (=Schulden des Staates bei der Zentralbank) ausgewiesen.