NFT: Belvedere steigt in den Hype Kryptokunst ein
NFT: Belvedere steigt in den Hype Kryptokunst ein
„Digitale Liebesklärung“, mit diesen Worten bewarb die Österreichische Galerie Belvedere den Verkauf von 10.000 Ausschnitten einer digitalen Kopie des Gemäldes „Der Kuss“ von Gustav Klimt zu je 1.850 Euro anlässlich des Valentinstags (1). Damit hat sich erstmals ein staatliches österreichisches Museum dem neuen Hype der Kunstwelt angeschlossen. Und freute sich kurz darauf bereits, mit diesem „erfolgreichen Einstieg ins Metaverse“(2) rasch 3,2 Mio. Euro lukriert zu haben – willkommene Einnahmen nach den Corona-Ausfällen der vergangenen beiden Jahre.
Was verbirgt sich hinter der Abkürzung „NFT“?
Die Abkürzung NTF steht für den englischen Begriff „non-fungible token“. Non-fungible heißt auf deutsch so viel wie nicht-austauschbar oder nicht-ersetzbar. Oder in anderen Worten ein Unikat. Im Fall der digitalen Kopie des Kuss-Gemäldes spricht das Belvedere in einer Aussendung von „10.000 unverwechselbaren Einzelteilen“(3) Der Begriff token bezeichnet einen durch einen privaten Schlüssel geschützten Eintrag auf einer Blockchain, auch Krypto-Vermögenswert genannt. (4) Auch bei den bereits herkömmlichen Kryptowährungen, wie Bitcoin oder Ethereum, die ebenso wie die hier behandelten NFTs auf der Blockchain-Technologie basieren, handelt es sich um tokens.(5) Technisch betrachtet handelt es sich bei jedem NFT um einen zusätzlich generierten Token auf einer Blockchain. Im Fall des digitalisierten Kusses um exakt 10.000 Stück, von denen jedes mit jeweils einem bestimmten Zehntausendstel der digitalisierten Bildkopie verknüpft ist.
Wie funktioniert ein NFT und was genau erwerbe ich mit seinem Kauf?
Angesprochen werden sollen im vorliegenden Fall in erster Linie Menschen, die sich für Kunst und deren Sammlung interessieren. Jede Käuferin und jeder Käufer erwirbt einen Eigentumsnachweis an diesem digitalen Bild – wird behauptet. Damit wird im Grunde versucht, etwas, das an sich beliebig oft vermehrbar ist, nämlich eine digitale Kopie eines Gemäldes, zu einem begrenzten Gut zu machen. Tatsächlich kann es sich in so einem Fall jedoch nur schwer um ein Unikat oder auch nur ein knappes Gut handeln. Denn letztendlich könnte es in Zukunft beliebig viele NFTs des Klimt´schen Kusses geben. Der NFT-Kaufpreis, im Fall des digitalen Klimt-Bildes von 1.850 Euro je Anteil, wird vom Verkäufer künstlich festgesetzt. Mit einem NFT erwirbt man einen Eintrag in der Blockchain, und dieser Eintrag ist nicht das eigentliche Bild, sondern nur ein Link zu einer Website, auf der ich meinen gekauften Ausschnitt des Bildes ansehen kann.
Rechtlich betrachtet werfen diese Transaktionen überhaupt einige Fragezeichen auf. Verkauft wird ein Eigentumsnachweis (certificate of ownership), aus dem im Grunde keine Eigentumsrechte ableitbar sind. Als Besitzer*in kann ich meine Bestätigung ausdrucken und nachweisen, dass ich das Passwort habe, um meinen Token zu veräußern. Dieser Token ist jedoch nur ein so genannter hashwert, d.h. ein eindeutiger „Fingerabdruck“ des eigentlichen digitalen Kunstwerks auf einer Plattform. Das Kunstwerk selbst ist daraus nicht wiederherstellbar. Und die Verknüpfung zu einem Kunstwerk ist kein eigentümliches Recht. Der Link zum Bild funktioniert nur so lange, wie die Website existiert. Und es wird niemand daran gehindert, ein weiteres Digitalbild in Form von NFTs zum Verkauf zu stellen. Bei geschätzten 80% aller NFTs handelt es sich vermutlich um Betrug, da der Emittent nicht die Rechte am Originalbild besitzt.(6)
Die Website, auf der sich die digitale Bildkopie des Kuss-Gemäldes befindet, betreibt das Belvedere. Hinter der Emission der Token steht die technische Lösung von artèQ.(7) Unter derselben Marke wird auch ein artèQ-NFT Investment Fund betrieben.(8) artèQ ist eine Marke bzw. Produktbezeichnung der Digital First GmbH aus Wien – soweit dies aus den öffentlich zugänglichen Unterlagen ersichtlich ist. Die rechtliche Beratung übernahm die internationale Anwaltskanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH.
Wertanlage? Spekulationsobjekt? Und wer verdient daran?
Die öffentliche Hand hat mit dieser Aktion dem Verkauf und Handel von NFTs einen offiziellen Ritterschlag in Österreich gegeben und suggeriert damit, dass es sich um eine seriöse Geldanlage handelt. Bei einigen Käufer*innen spielt wohl auch die Hoffnung mit, dass der erworbene digitale Anteil mit der Zeit im Wert steigen wird. Allgemein werden NFTs auch als gut handelbar beworben. Tatsächlich handelt es sich jedoch viel eher um eine hoch riskante Investition, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Totalverlust führen wird, sobald der Hype um NFTs wieder vorbei ist.
Denn auch der oft behauptete Originalnachweis ist mit Vorsicht zu betrachten. Der Erwerb eines Links zu einer Webseite garantiert nicht, dass der Betreiber die Webseite in Zukunft verändern oder gar einstellen wird. Sollte dies geschehen, ist mein Token nutz- und damit auch wertlos geworden.(9)
Auf diese Risiken wird auf der vom Belvedere betriebenen Website in den nur auf Englisch verfügbaren „Terms of Service“ (TOS), etwa unter der Überschrift „No guarantees or future promises“, auch explizit hingewiesen. Wenn man jedoch dieses quasi Kleingedruckte nicht liest, klingt das auf der Hauptseite deutlich anders. Und gemäß § 6 Abs. 3 KSchG sind einzelne Geschäftsbedingungen für Konsument*innen unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst sind.
Ein in diesem Zusammenhang interessantes Detail verbirgt sich unter Punkt 9 der TOS: Dort steht geschrieben, dass bei jedem Weiterverkauf 10% des Verkaufspreises an das Belvedere abzuführen sind.(10) Wechselt ein Kuss-NFT zehn Mal die Eigentümer*in, erhält das Belvedere den Verkaufspreis praktisch noch einmal – unter der Annahme, dass der Preis des NFTs gleich bliebe.
Sind die 1.850 Euro für ein NFT nur im Sinne einer Spende ans Belvedere geflossen, ist dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden – wobei eine Überweisung auf ein Spendenkonto den enormen Stromverbrauch der Blockchain vermieden hätte. Hat sich die NFTs jemand aus Veranlagungsgründen gekauft, dann stellt sich jedoch auch die Frage der Haftung, nämlich ob die Käufer*innen ausreichend über alle Risiken informiert wurden bzw. ob der artèQ NFT Investment Fund über eine Wertpapier-Konzession der FMA verfügt und berechtigt ist, in Österreich Fondsanteile zu verkaufen.
- https://thekiss.art/ (15.2.2022)
- https://www.belvedere.at/sites/default/files/2022-02/Pressetext_NFT-Drop_Erfolg_DE.pdf (15.2.2022)
- https://www.belvedere.at/sites/default/files/2022-02/Pressetext_NFT-Drop_Erfolg_DE.pdf (15.2.2022)
- Ebenso werden im Englischen Spielgeld oder Casino-Jetons als tokens bezeichnet.
- https://www.coinbase.com/de/learn/crypto-basics/what-is-a-token (15.2.2022)
- https://www.reuters.com/business/finance/nft-marketplace-shuts-citing-rampant-fakes-plagiarism-problem-2022-02-11/ (15.2.2022)
- https://cdn.arteq.io/files/whitepaper.pdf mit folgenden Smart Contract: https://etherscan.io/address/0x0debAEB1Ba41900148f625Bd6DBae22B576D620b#code (15.2.2022)
- https://arteq.io/ (15.2.2022)
- Dies zeigte der CEO von Signal, einem auf Privatsphäre achtenden Messenger, recht anschaulich im Rahmen einer Kunstaktion. Dabei verkaufte er NFTs, die sich nach dem Verkauf in ein Exkremente-Emoji verwandelten. https://www.theverge.com/2021/10/14/22726556/signal-founder-moxie-marlinspike-nft-whim-change-platform-shit-emoji-fragility (15.2.2022)
- https://thekiss.art/s/TOS.html (15.2.2022)