Geld gemeinsam gestalten – mit Karl Zeuner
Geld gemeinsam gestalten – mit Karl Zeuner
Karl ist seit 2015 Mitglied der Genossenschaft für Gemeinwohl. „Ohne die demokratische Mitbestimmung und Kontrolle des Geldsystems geht immer nur ein bissl was, und dann ist es wieder weg“, sagt er. Nach dem ersten Online-Kompaktkurs „Geld & Demokratie“ engagierte er sich in einer der daraus entstandenen Initiativen, „Geld Neu Denken“. Im Interview erörtert der Naturwissenschafter und Apotheker im Ruhestand u.a., wie sehr aus seiner Sicht auch unsere Geisteshaltung dazu beiträgt, dass echte Transformation gelingt.
Lieber Karl, was bedeutet Geld für dich?
Geld ist für mich ein Player von Möglichkeiten, also ein Potenzial, eine Energie – und es ist natürlich eine super Erfindung, damit man besser austauschen und teilen kann. Vor allem ist es ein Mittel zum Zweck, und zwar um das höchstmögliche Gemeinwohl zu erreichen. Ich definiere es absichtlich positiv ...
Sicher hat Geld auch indirekt z.B. mit Sicherheit zu tun, weil diese ja das Potenzial ist, das Leben bestreiten und Dinge bekommen zu können. Als Selbstständiger habe ich auch viel auf das Geld schauen müssen – es ist dann oft eine Gratwanderung, das Geld nicht zum Selbstzweck werden zu lassen. Ich kann diesen Mechanismus nachvollziehen, weil mir das sicher auch immer wieder passiert ist. Wenn man einmal weiß, wie Rabatte funktionieren und wie man etwas in der Steuer gut unterbringt ... Am wichtigsten ist aber, dass man weiß, dass es auch Erfolg bringt, wenn man Dinge besonders gut machen will, Kunden freundlich und gut berät, auf einer menschlichen Ebene offen ist.
Was ist Gemeinwohl für dich?
Der größtmögliche Wohlstand, aber auch Wohlgefühl. Glück für alle Menschen, letztendlich. Ich würde auch noch alle Wesen mit einschließen. Der Humanismus ist ja eine tolle Sache, nur haben wir uns insofern in einen Humanismus verrannt, der die Erde, das Ökosystem, mit dem wir untrennbar verbunden sind, das unsere Lebensgrundlage ist, über das Geldsystem bewerten und auch ausbeuten. Gott sei Dank hat der Humanismus definiert, dass jeder Mensch gleich viel wert ist. Jetzt müssen wir noch dahin kommen, dass wir die Trennung aufheben und erkennen, dass wir die Koexistenz und diese Wertschätzung brauchen für das was uns an Natürlichem umgibt, womit wir ja verbunden, ein Teil davon sind.
Zum Gemeinwohl gehört für mich Wohlstand, die menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen: Das geht in Richtung sicheres Zuhause, gute Ernährung, ein schöner und intakter Lebensraum, und natürlich das sozial eingebunden sein. Den Sinn finden in unserem vernetzten Dasein. Was kann ich als Individuum einbringen, was kriege ich, dieses Fließen, das Austauschen, das gehört für mich ganz stark zum Gemeinwohl dazu. Und dass ich die anderen Menschen nicht primär als Konkurrenten sehe, unter denen ich mich nicht mehr wohlfühlen kann. Frieden.
Der materielle Wohlstand ist natürlich auch wichtig, aben nur als Teil von dem allen. Man kann recht viel haben, aber wenn ich mich die ganze Zeit fürchte, dass es mir jemand wieder wegnimmt ... schwierig :)
Dürfen wir noch mehr über dich erfahren, und warum du dich mit der Genossenschaft für Gemeinwohl für ein gemeinwohlorientiertes Geld- und Finanzsystem engagierst?
Ich bin politisch interessiert seit meiner Jugend. Zwentendorf ... Dann war ich Studentenvertreter, später bei den Grünen im 22. Wiener Gemeindebezirk. Der Aufstieg von Haider hat mich sehr beschäftigt. Und die Ökologische Frage war ja damals im Prinzip genauso da wie heute.
Aber alles was man zu bewegen versucht – Mülltrennung, Bio in der Landwirtschaft, Bildungssystem, Verkehrssystem, das persönliche Konsumverhalten – wird niedergewalzt durch die Entfesselung des Kapitalmarkts, durch den Neoliberalismus. Alles nicht, aber das meiste. Nach dieser Beobachtung habe ich mich aus dem politischen Feld zurückgezogen. Ich wurde noch Attac-Mitglied, um die Einführung einer Transaktionssteuer zu unterstützen. 2003 habe ich dann aber zusammen mit meiner Frau diese ganz alte kleine Museumsapotheke gekauft und revitalisiert. Das war natürlich eine Riesenaufgabe, wir haben das die letzten 20 Jahre betrieben. Nebenher habe ich immer wieder meinen Blick nach außen gerichtet und von der Gemeinwohl-Ökonomie gehört. Daran war ich sehr interessiert, und wir haben auch mit der Apotheke die Gemeinwohl-Bilanz gemacht. Und die Idee der Genossenschaft wurde mir ebensowichtig: Wie Geld angelegt und in welchem Bereich es eingesetzt wird, ist eine ganz zentrale Frage. Es steuert eine Gesellschaft.
Momentan ist die Situation wie beim Zauberlehrling: „... die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht los!“ Der magische Helfer geht im Wasser unter, weil sich die Werkzeuge selbstständig gemacht haben – so ist es gerade beim Geld. Das ist sozusagen eine Grundthematik, auf die muss man immer wieder hinweisen. Wir sind momentan mehr beherrscht vom Instrument als dass wir es in der Hand haben, wir sind nicht mehr Meister. Es wird erst wieder gut, wenn der Meister kommt und sagt „In die Ecke, Besen“... Das heißt nicht, dass der Besen schlecht ist, und der Kübel, das braucht man ja alles – aber es ist tragisch, wenn die Instrumente, die Werkzeuge die Herrschaft übernehmen.
Zwischendurch und bis heute habe ich mich auch meiner persönlichen Entwicklung gewidmet – alles was man wohl unter „Spritualität“ zusammenfasst. Also das Leben nicht nur auf der materiellen Seite zu betrachten, sondern in seiner Ganzheit. Für ich ist das ganz zentral, dass wir ein Teil vom gesamten Netzwerk sind, vom Netzwerk des Lebens. Wenn wir nicht kollektiv zu dieser Sichtweise kommen, sind wir wohl nicht überlebensfähig.
Wir können auch nicht unendlich wachsen. Das brauche ich eigentlich niemandem erzählen – um das zu wissen, braucht man kein Experte sein, das spürt man. Die Vorstellung, dass irgendetwas unendlich wächst ist an sich absurd. Alles hört irgendwann zu wachsen auf, sonst ist man ein Monster, oder es ist Krebs oder sonstwie tödlich, letztendlich.
Wir sind Teil von einem Ganzen, wir haben die Verantwortung, das zu hegen und zu pflegen für uns, für unsere Nachkommen. Und das ist für mich eine sehr schöne Aufgabe. Das ist die positive Motivation! Die dauernden Schreckensszenarien – manchmal braucht’s die vielleicht, aber die machen auch fertig. Man erzählt sich gegenseitig nur immer dieselben negativen Geschichten. Lieber sich fragen: Was wollen wir Schönes? Was wollen wir bewirken, wo unser Herz drinnen liegt? Was ist uns wirklich wichtig, für unsere Kinder, unsere Nachkommen oder einfach dafür, dass die Erde in einer Harmonie oder Intaktheit weiter existiert? Das ist ja ein riesiger Wert an sich. Ich glaube, dass das jeder Mensch auch spüren kann und dass das unsere Grundlage ist – und meine ist es auch.
Danke!