DER VERSTOPFTE BANKKANAL
DER VERSTOPFTE BANKKANAL
Der verstopfte Bankkanal
Fazit einer Podiumsdiskusssion mit Parteienvertreter*Innen und Wirtschaftsexpert*innen.
Banken spekulieren, anstatt das Geld an Unternehmen zu vergeben – EZB soll vierte Staatsgewalt Monetative werden.
Taugt die EZB Geldpolitik des „quantitative easing“ – des ultralockeren Geldflusses – dazu, Investitionen anzukurbeln und die Realwirtschaft zu beleben? Und was brauchen nachhaltig tätige KMUs? Diesen Fragen widmete sich eine Podiumsdiskussion gestern Abend im Presseclub Concordia, zu der die Genossenschaft für Gemeinwohl in Kooperation mit der Tageszeitung Standard eingeladen hatte."Der Bankkanal ist verstopft", erklärte Prof. Elisabeth Springler von der Fachhochschule des BFI Wien. Zwar ist das Zinsniveau für die Geschäftsbanken seit März 2016 auf 0,00 Prozent gesunken. Doch dieses Gratisgeld komme in zu geringem Ausmaß den Unternehmen zugute, wie Zahlen zeigen: Der Anteil der langfristigen Kredite an der Außenfinanzierung ist seit 2008 um rund 10% gesunken. Die Kreditvergaben unter 1 Mio an Unternehmen – und damit jener Bereich, der für KMUs besonders von Bedeutung ist – sanken sogar um rund 25%. (Quellen: Nationalbank, BFI)
Banken spekulieren im Ausland anstatt Kredite zu vergeben
Die Unternehmen finanzieren sich seither weniger über die Banken und stärker über Alternativen wie Aktien oder Anleihen. Dazu sind allerding nur große Konzerne in der Lage, nicht jedoch die KMU, die in Österreich 99% der Firmen ausmachen. Wohin geht also das billige Geld, das die Geschäftsbanken von der EZB erhalten? Die Banken selbst investieren zu großem Teil auch im Ausland, in das Finanzkapital – die Renditeerwartungen sind besser, das Risiko eines Kreditausfalls geringer. Fazit: Im letzten Jahrzehnt ging der Trend in die Spekulation. In den letzten Monaten sei jedoch eine steigende Konjunkturbelebung zu beobachten, "womöglich ist das die vielersehnte Trendwende“, so Springler.
Betreibt die EZB Staatsfinanzierung?
Fritz Fessler, Vorstand der Genossenschaft zur Gründung einer Bank für Gemeinwohl, kritisiert, dass die EZB indirekt Staatsfinanzierung betreibe, weil sie monatlich 60 Mrd Euro an Wertpapieren (Asset Purchase Programme) – zum Großteil Staatsanleihen – von Banken aufkauft. Sie könnte also gleich direkt Staatsschulden bis zu 50% des BIP zinsfrei den Staaten zur Verfügung zu stellen. "Das würde den österreichischen Staatshaushalt sofort um rund 5 Mrd Euro jährlich entlasten, die für sinnvollere Zwecke verwendet werden könnten als für Zinszahlungen“, so Fessler.
Ethikbewertung für Basel 4
Weiters kritisiert Fessler, dass in diesem Programm der EZB auch Firmenanleihen von 200 Großunternehmen im Wert von 92 Mrd. Euro aufgekauft wurden. Damit finanziert die EZB direkt und indirekt Großunternehmen. KMU und EPU gehen hingegen leer aus. Fessler fordert für Basel 4 neue Bewertungsfaktoren, konkret statt der reinen Bonitätsprüfung auch eine ethische Prüfung: "Es müsste Aufschläge geben für nicht nachhaltige Finanzierungen. Und Kredite für Finanzspekulationen ohne realwirtschaftlichen Hintergrund sollten von der EZB gar nicht mehr refinanziert werden“, so Fessler.
Kreditklemme für KMU
Lisa Muhr, Co-Geschäftsführerin des gemeinwohl-orientierten Modeunternehmens "Göttin des Glücks“, bestätigt die Zahlen Springlers aus der Praxis: Die Kreditklemme bestehe, "wir bekommen am Bankensektor kaum Kredite.“ Und am Crowdfunding-Sektor sei wiederum die Konkurrenz sehr groß – nur emotionale und innovative Produkte seien geeignet, ein durchschnittliches Wirtshaus lasse sich so nur schwer finanzieren. "Crowdfunding darf daher nicht Banken ersetzen“, sagt Muhr, und fordert, dass Banken zu ihrem Kerngeschäft, der Kreditvergabe, zurückkehren. Nachhaltigkeit nennt Muhr "überlebenswichtig“ für die Zukunft der Menschen auf diesem Planeten, diese müsse ins Kerngeschäft der Unternehmen. Nachhaltigkeit koste aber Geld - sie selbst produziere zum Beispiel 4 bis 6 Mal teurer als herkömmliche Textilbetriebe. Daher dürften Unternehmen bei den Banken nicht mehr bloß nur nach Zahlen beurteilt werden. Muhr plädiert für einen "Code of Product“: Alle Produkte, die nach Europa dürften, sollten eine transparente, sozial und ökologisch faire Produktionskette nach Europa-ähnlichen Standards nachweisen. "Derzeit kaufen wir Kleidung, hergestellt von Menschen, die wie Sklaven vor 300 Jahren gehalten werden“, kritisiert sie. Unternehmen sollten in Zukunft verbindlich neben der Finanzbilanz auch eine Bilanz nach Nachhaltigkeits- bzw Gemeinwohl-Kriterien erstellen müssen.
Sozialabgabe für Roboter
Gabriele Tamandl, Budgetsprecherin der ÖVP, kann sich eine Reduktion der Lohnnebenkosten für Unternehmen, die solche Nachhaltigkeits-Bilanzen vorlegen, vorstellen. Matthias Köchl, Selbstständigen-Sprecher der Grünen, wiederum fordert eine Steuerstrukturreform. Darin enthalten sollen Sozialabgaben für Roboter sein: Wenn Roboter die Arbeit von Menschen übernehmen, müssen die Roboter die Lohnsteuer und Sozialabgeben zahlen. Jan Krainer, Finanzsprecher der SPÖ, kann sich vorstellen, Unternehmen, die außerhalb Europas unter schlechteren Bedingungen herstellen lassen, stärker zu besteuern, und nachhaltigen, regionalen Betrieben Steuererleichterungen zu gewähren.
EZB soll vierte Staatsgewalt werden
Am Ende der Diskussion weist Elisabeth Springler auf die Schattenbanken hin – also jene Finanzmarkt-Akteure, die bankähnliche Aufgaben bei der Kreditvergabe übernehmen, aber keine Banken sind und somit nicht der Regulierung für Kreditinstitute unterliegen: "Die Schattenbanken haben ein Wachstum und Volumen, das wir nicht abschätzen können. Wir sollten das bestehende System – auch der EZB und der Geschäftsbanken – mit so transparenten Regulativen versehen, dass es nicht mehr zu Kreditklemmen kommt und Geschäftsbanken ihr Kerngeschäft – die Kreditvergabe – auch als solches wahrnehmen.“ Genossenschafts-Vorstand Fritz Fessler fordert eine sogenannte Monetative: "Die Zentralbank soll in den Rang einer vierten Staatsgewalt gehoben werden. Nur sie soll Geld schöpfen dürfen. Die EZB darf nicht mehr länger abseits jeglicher demokratischer Kontrolle agieren.“