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Nie ... und doch schon wieder!

Bank im Nebel, rote Ampel
Freitag, 24. März 2023 – von Christian Felber

Nie ... und doch schon wieder!

Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS schafft ein noch größeres Systemrisiko und zeigt die Schwächen der aktuellen Finanzmarktregulierung

 

Unmittelbar nach der „GFC“ (Global Financial Crisis) 2008 verkündete Angela Merkel, dass künftig „alle Finanzmärkte, Produkte und Akteure reguliert oder überwacht werden“. Ende 2014 versprach sie, dass „Steuerzahler nie wieder dafür eintreten müssen, dass große Banken zusammenbrechen“.(1) 15 Jahre später wird im Zuge der zweitgrößten Bankeninsolvenz in der US-Geschichte die Silicon Valley Bank von der staatliche Einlagensicherung übernommen, und wenige Tage später verhindert die Schweizer Nationalbank den Totalkollaps des Flaggschiffs Credit Suisse – eine der 30 globalen „Systembanken“. Mit der Krypto-Bank Silvergate, der Signatur Bank und der First Republik sind es der Pleitebanken bereits fünf. Das Chaos ist auf den Finanzmärkten zurück.

 

Die Frage, die im Raum steht, lautet, warum die Regulierungen nicht gegriffen haben und eine Wiederholung der Geschichte nicht verhindern konnten. G20 und der Basler Ausschuss beschlossen Definitionen und Eigenkapitalregeln für systemrelevante Finanzinstitute, die EU hat eine eigene Bankenunion mit drei Säulen aus dem Boden gestampft. 2015 zählte der Dortmunder Finanzprofessor Schulte-Mattler 34.019 Seiten Regulierung. Die bittere Antwort könnte lauten: Es wurde quantitativ überreguliert, aber die entscheidenden Zügel dabei nicht gestrafft. Was kann aus dem aktuellen Fall gelernt, und welche wirksamen Reformen könnten eine unendliche Wiederholung der Geschichte verhindern?

 

Erstens, eine Größengrenze für Banken. Die Schwelle könnte in einem ersten Schritt bei 100 Milliarden Euro Bilanzsumme eingezogen werden. Besser, es gibt viele Banken, und jede einzelne kann in die Insolvenz gelassen werden. Dann gilt gleiches Recht für alle, und die Systemstabilität wäre entscheidend erhöht. In Anbetracht dieses Vorschlags geht die Einverleibung einer Bank mit 535 Milliarden Euro Bilanzsumme (CS) durch eine doppelt so große Bank (UBS) genau in die falsche Richtung. Das Systemrisiko wird noch dramatisch erhöht. Was, wenn die UBS ins Wanken gerät?

 

Zweitens, die Eigenkapitalanforderungen müssen stark progressiv gestaltet werden. Die aktuellen Basel III-Regeln sehen nur drei Prozent ungewichtete Kernkapitalquote („leverage ratio“) vor, das ist nahezu ein Witz. Für die 30 „G-SIBs“ (global systemrelevante Banken) gelten zusätzlich zwischen 1% Kernkapital im untersten „Korb“ (darin liegen Credit Suisse und UBS seit Jahren) und höchstens 3,5% im obersten Korb, der vielsagender Weise leer ist. Die anerkannten Bankenexperten Anat Admati und Martin Hellwig sprechen von 20 bis 30 Prozent Eigenkapital, die früher durchaus üblich waren. Solche Anforderungen müssten zumindest für die größten Institute mit z. B. 80 bis 100 Milliarden Euro Bilanzsumme gelten. Bis zu dieser Schwelle müssen die Anforderungen kontinuierlich ansteigen.

 

Drittens wäre eine Nachschusspflicht für die privaten Eigentümer von taumelnden Banken ein wirksamer Sicherheitsanker – um öffentliche Gelder ein für allemal zu schonen. Auch das gab es in der Geschichte bereits. Ganz abgesehen von den 200 Milliarden Franken Notkredit für CS und UBS, die für wirklich „systemrelevante“ Wirtschaftszweige nicht zur Verfügung stehen: Mit den neun Milliarden Franken, die für Haftungen bereit stehen, könnten alternativ neun Start-up-Banken mit je einer Milliarde ausgestattet werden, die nachhaltige Projekte in der sozialen Kreislauf- und Gemeinwohl-Ökonomie finanzieren: neun kleine Gemeinwohl-Banken.

 

Schließlich braucht es unabhängig vom konkreten Fall und der Branche braucht es eine Begrenzung von Boni. Es ist schwer zu verdauen, dass laut Tagesanzeiger die Credit Suisse in den letzten zehn Jahren insgesamt einen Verlust von 3,2 Milliarden Franken gemacht und im selben Zeitraum Boni im Ausmaß von 32 Milliarden Euro ausgeschüttet hat: das Zehnfache.(2) Man fragt sich, warum nicht „Mali“ statt Boni anfielen. Eine einfache Dreier-Regelung könnten diese Exzesse beenden: Erstens: Fixgehälter dürfen das Zehnfache des landesüblichen Mindestlohns nicht übersteigen. Zweitens, die variablen Gehälter dürfen maximal die Höhe des Fixgehalts ausmachen. Drittens: Mindestens die Hälfte der variablen Gehalts muss an soziale und ökologische Kriterien geknüpft sein: an das Ergebnis des Nachhaltigkeitsberichts oder Gemeinwohl-Bilanz. Je höher der Anteil, desto besser die Bewertung im Gemeinwohl-Bericht.

 

(1) Merkel verspricht: "Steuerzahler müssen 'nie wieder' für Pleite-Banken haften", focus.de, 16. November 2014

(2) Pascal Unternährer: "Die grosse Wut der Zürcher Politik auf die CS-Manager", Tagesanzeiger, 20. März 2023

 

Christian Felber ist Buchautor („Geld. Die neuen Spielregeln“), Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie und Aufsichtsrat der Genossenschaft für Gemeinwohl.

Eine kürzere Fassung dieses Blogbeitrags erschien am 23. März 2023 in der Wiener Zeitung:
https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2182440-Nie-wieder-.-.-.-und-doch-schon-wieder.html

 

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